“Wir können nicht zur Seite schauen, wenn Mord und Vergewaltigung an der Tagesordnung sind, schon allein aus humanitären Gründen”. Das ist ein schöner Satz unserer neuen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Er klingt so richtig – und ist doch so falsch. Von der Leyen spricht sich im “Spiegel” für mehr militärisches Engagement der Bundeswehr aus; hier konkret auf Zentralafrika bezogen.
Seit den ersten Auslandseinsätzen der Bundeswehr Anfang der Neunziger sind diese umstritten. Nicht zu unrecht; Deutschland tut gut daran, angesichts seiner Vergangenheit kritisch zu sein.
Die Frage, die von der Leyen aufwirft, ist durchaus interessant. Dürfen wir bei (Völker-)Mord, Vergewaltigung und Krieg untätig zur Seite schauen? Die Frage ist natürlich rein rhetorisch. Die Antwort nicht. Die Frage lautet nicht, Diktator oder Demokratie, Auslandseinsatz ja oder nein. Es geht in erster Linie um Frieden und wie wir diesen in Krisenregionen erreichen? Der internationalen Gemeinschaft stehen im Wesentlichen zwei Wege offen: der militärische und der politische.
Da wäre zum einen die militärische Option – in der Hoffnung, dass möglichst viele Soldaten möglichst viel Frieden schaffen. Das klappt nicht wirklich. Druck erzeugt Gegendruck und wenn Waffen im Spiel sind, entlädt sich der Druck schnell in Form ziviler Opfer. Eben jene Menschen, die man eigentlich schützen will, sterben. Diese “Kollateralschäden” helfen nur dem Gegner. Wer das nicht glaubt, der sollte die Lage am Hindukusch betrachten und verzweifeln. Militäreinsätze sind unkalkulierbar und kosten zu viele Menschenleben, aber auch zuviel Geld und Material.
Zum anderen, wäre da noch die politische, diplomatische Option. Syrien ist einmal mehr ein mahnendes Beispiel. Schneller eingreifen, vermitteln, internationalen Druck auf das Regime aufbauen und die Welt zählte tausende Tote weniger. Dafür lohnt es sich doch, um einen Kompriss zu ringen.
Eine solche Lösung ist zugegebenermaßen sehr schwierig, doch besser als noch mehr Krieg, denn der ist gar keine Lösung. So bekämpfen Auslandseinsätze nur die Symptome, nicht aber die Ursachen des Problems; mögen die Motive noch so ehrenwert sein. Im Gegensatz zu ihrem Ziel haben sie das Potenzial, alles noch schlimmer zu machen, siehe wieder einmal Afghanistan.
Aber wenden wir doch unsere beiden Möglichkeiten auf den angeblich gelungenen Balkaneinsatz an. Dort herrscht augenscheinlich Frieden. Also ist ein Militäreinsatz doch sinnvoll? Nein, denn durch eine schnelle politische Lösung wäre den Balkanvölkern Völkermord, Krieg und als Ergebnis Hass und Armut erspart geblieben. Um einen Krieg möglichst schnell zu beenden oder gar im Keim zu ersticken, ist eine diplomatische Lösung wesentlich geeigneter. Diese muss aber schnell kommen, sonst werden die Probleme schier unlösbar.
Aber machen wir uns nichts vor. Solche Maßnahmen helfen nur kurzfristig. Es ist aber wichtig, Wert auf Nachhaltigkeit zu legen. Folglich müssen wir für gefestigte politische Strukturen in den gefährdeten Regionen sorgen, für weniger Armut und mehr Wohlstand. Das zu erreichen, da bekleckert sich etwa die EU – nebenbei Friedensnobelpreisträger – nicht gerade mit Ruhm.
Manche verwechseln Auslandseinsätze mit deutschem Engagement in der Weltpolitik und fordern so mehr Bundeswehreinsätze. Schließlich dürfe Deutschland seine Partner nicht im Regen stehen lassen und müsse seine Bündnisverpflichtungen halten. Hier wird gleichgesetzt, wo differenziert werden sollte. Welches Bündnis verpflichtet Deutschland, in Zentralafrika einzurücken? Gar keins. Und engagieren können wir Deutschen uns genug – und zwar sinnvoll zivil via Entwicklungshilfe.
Es ist der Druck – hier der der Franzosen – der die Bundesregierung zu Auslandseinsätzen zwingen soll. Aber muss Deutschland in Zentralafrika militärisch eingreifen? Das Land ist ein Fall für Entwicklungshelfer, nicht für Soldaten. Aber betrachten wir doch den anderen afrikanischen Staat, in dem sowohl Frankreich als auch Deutschland militärisch aktiv sind.
Sind es in Mali wirklich ehrenwerte Motive wie Demokratie, Menschenrechte oder gar Frieden, die Frankreich intervenieren lassen? Bestimmt nicht. Vielmehr sollen die malischen Uranminen die französischen Atomkraftwerke weiterhin versorgen. Soviel zu von der Leyens “humanitären” Gründen. Sind wir Europäer keine Gutmenschen? Sind unsere Wirtschaftsinteressen bedroht, schreiten wir ein. Werden hingegen die Syrer, ein Volk ohne Bodenschätze, von Assad niedergemetzelt, schauen wir nur zu. Dies zeigt nur einmal mehr die Heuchelei des Westens.
Zwar meint von der Leyen ebenfalls, die militärische Komponente dürfe nur eine von vielen sein. Viel besser wäre es, sie einfach gänzlich auszusparen. Statt im Bendlerblock Marschrouten auszutüfteln, wäre die Bundesregierung besser beraten, in der Stresemannstraße die Budgets zu erhöhen. Dort sitzt nämlich das Entwicklungshilfeministerium.
Für Auslandseinsätze argumentiert dieser Artikel: http://www.politicsgermany.com/2014/01/afrika-halte-durch-wir-kommen/