In der Fortsetzung des Interviews spricht Axel Voss darüber, wie die EU im Zuge der NSA-Enthüllungen mit den USA umgehen sollen. Auch äußert er sich zur causa Berlusconi.
Hier das erste Interview.
Wie hebt sich die CDU von den anderen Parteien ab? Jeder will doch „Mehr Europa“?
Wir wollen immer das „Richtige Europa“. Hier vor allem drei unterschiedliche Positionen:
- Aufnahme der Türkei: Wir sagen, sie soll kein Vollmitglied werden. Die anderen stimmen dafür.
- Staatsverschuldungskrise. Rot und Grün will die Vergemeinschaftung von Schulden, auch wenn sie im Wahlkampf etwas anderes hören werden. Die Kollegen stimmen im Europarlament immer für Euro-Bonds. Das lehnen wir grundsätzlich ab.
- Datenschutz: Wenn wir die Vorratsdatenspeicherung abschaffen, ist unser rechtsstaatliches System in Frage gestellt. Die Strafverfolgung können wir dann nicht in allen Fällen wahrnehmen.
Von daher ist diese Europawahl schon eine Art Richtungswahl.
Wo Sie es gerade sagen: Stichwort Datenschutz. Im Zuge der NSA-Enthüllungen oder auch in der Ukrainekrise, da hat sich die EU nicht als ernstzunehmende Macht platziert. Woran liegt es, dass die EU so schüchtern auftritt?
Meines Erachtens ist die Entwicklung der EU noch nicht so weit. Wir haben in der Außen- und Sicherheitspolitik begonnen, gemeinsam zu arbeiten, wir haben eine „Außenministerin“. Diese ist aber abhängig von den 28 Außenministern der Mitgliedsstaaten. Von daher ist es uns nicht gelungen, diese notwendige Entwicklung soweit weiterzutreiben, dass man mit einer Stimme spricht. Das müssen wir in Zukunft besser lösen. Die Einheitlichkeit wäre hier sinnvoll.
Datenschutz. Die USA spioniert Deutschland und Europa aus. Wieso gibt es kaum Sanktionen oder zumindest verschärfte Rhetorik. Wie sehen die Schritte aus?
Wir haben den Amerikanern durchaus sehr deutlich gemacht, dass sich ihr Vorgehen nicht mit unseren Vorstellungen deckt. Die USA sind von 9/11 traumatisiert. Es zeigt sich, dass wir hinsichtlich Datenschutz und Sicherheit unterschiedliche Auffassungen haben. Für die Amerikaner ist Datenschutz eher eine Art Verbraucherschutz, für uns ein Grundrecht. Diese Mentalitätsunterschiede machen eine Lösung schwierig.
Wir haben deutlich gesagt, dass wir uns dringend zusammensetzen müssen, um zu gemeinsamen Standards zu kommen. Bisher ist das noch nicht zu unserer Zufriedenheit passiert. Die Kommission verhandelt nun das Rahmenabkommen über Datenaustausch, hier müssen wir unsere Standards durchsetzen.
Eine andere Frage, die mit der technologischen Entwicklung zusammenhängt: Wie können wir überhaupt noch eine Privatsphäre garantieren? Die Technologie ermöglicht eine große Bandbreite an Ausspähmöglichkeiten. Wenn uns unsere Privatsphäre wichtig ist, müssen wir Bausteine finden und installieren, die die Privatsphäre zumindest etwas besser garantieren, bzw. die Massenausspähung eindämmen. Als EU-Parlament haben wir innerhalb des NSA-Berichtes gefordert, das SWIFT-Abkommen (Bankdatenabkommen) aufzuheben – was ich persönlich allerdings für falsch halte – und wir wollen den Safe-Harbour-Mechanismus aufheben. Dieser ist die rechtliche Basis dafür, dass Unternehmen Daten aus Europa in die USA transferieren dürfen. Nach unserer wird es der Gegenwart als rechtliche Grundlage nicht gerecht. Das ist eine Art „Datenkriegserklärung“. Insofern kann man nicht sagen, dass wir gar nichts tun oder zu harmlos sind.
Außerdem ist da noch die Frage: Was ist die Alternative? Mir fällt nichts verhältnismäßiges ein, was wir noch hätten tun können. Meines Erachtens sind wir auf dem richtigen Weg und müssen nun die Amerikaner überzeugen, dass ihr Weg nicht der richtige ist.
Können sich die USA nicht verweigern?
Wenn die USA nicht verhandeln wollen, müssen wir einen europäischen Weg gehen. Wir werden Maßnahmen wie Routing, EU-Cloud, Verschlüsselung etc. ergreifen. Wir müssen uns generell als Europäer überlegen, wie wir mit unseren Daten in Zukunft umgehen wollen. Wir haben bestimmte Möglichkeiten. Es gibt zwar nicht die hundertprozentige Sicherheit, aber es gibt Maßnahmen, die wir gegen Massenausspähungen installieren können und das sollten wir auch tun.
Wollen sie weiterhin mit Herrn Berlusconis Partei in einer Fraktion sein?
Die Partei als solche ist nicht das Schlimme. Die Person an der Spitze ist nicht so, wie wir sie uns wünschen würden. Wenn einzelne Personen unangenehm auffallen, wäre es unverhältnismäßig, gleich die ganze Partei auszuschließen. Mit Herrn Berlusconi ist es nicht einfach, aber er ist nun mal in der italienischen Schwesterpartei verwurzelt. Ich bin zuversichtlich, dass wir Wege finden werden, wie sein europäischer Einfluss beschnitten wird und wir das Gute aus dieser Partei herausholen können.
Interesse an der Meinung der SPD-Kandidatin Tine Hørdum zu Europa? Das Interview ist hier verlinkt.