Da werden die Sektkorken in Brüssel knallen. Viel Europabegeisterung sieht man nicht alle Tage in Spanien, Griechenland, Portugal; eigentlich überall. Doch in der Ukraine ist eben dies in Gange. Das Volk will Kurs nehmen auf Europa. Die Menschen bauen Barrikaden, rebellieren gegen die verhasste Staatsmacht, Boxer Klitschko inszeniert sich als Mann des Volks. Auslöser der Proteste ist das Assoziierungsabkommen mit der EU, das Präsident Janukowitsch nicht unterschrieben hat. Mit dem geplanten Assoziierungsabkommen hat er, wie wir jetzt wissen, mit der EU geflirtet, den Preis hochgetrieben, um sich dann vom russischen Bären finanzielle Hilfen zu ergattern. Da sieht Europa ziemlich alt aus.
Doch neben dem Abkommen mit der Ukraine sind noch weitere gescheitert, ebenfalls mit umworbenen Ostpartnern. Offenbar scheint die “europäische Idee” im Moment nicht sonderlich sexy zu sein.
Doch wie kann das sein? Wie man sich anhand der Ukraine denken könnte, so spielt Geld eine wichtige Rolle. Russland hat die höheren Finanzhilfen angeboten, doch eine Aufnahme in den europäischen Binnenmarkt, ist ein Geldsegen und Wirtschaftsmotor. Wovon profitiert sein Land eher: von einer Zollunion mit der Europäischen Union oder einer Zollunion mit Russland und ein paar anderen ehemaligen Ostblockstaaten? Seltsam. Oder sind es doch Menschenrechte und Rechtsstaat mit dem man da im Osten nicht kann? Hat nicht vielmehr der böse Putin Schuld daran, dass der liebe Europäer nun doch keine Annäherung mit der Ukraine zelebrieren kann?
Nein, denn die Schuld sollte man nicht bei den anderen suchen, sondern zuerst bei sich selbst, wo man in diesem Fall fündig wird. Niemand hat ernsthaft das Gefühl, dass die EU einen Beitritt der Ukraine oder anderer osteuropäischer Länder herbeisehnt, sie als wichtigen Teil Europas sieht. Es scheint, als sehe die EU die Annäherung als Selbstzweck, als Prestigeprojekt, als verzweifelte Versicherung, dass die europäische Idee immer noch attraktiv ist.
Folglich bleibt nur eine neue EU-Ostpolitik, um demnächst mal erfolgreich zu sein. So wie sich die EU im Moment präsentiert, kann es nicht weitergehen. So ist der Ukraine zwar Wirtschaftshilfe angeboten worden, allerdings lächerlich wenig. Wann war Angela Merkel eigentlich das letzte Mal in Kiew? (Zur EM? Mit Janukowitsch über den zukünftigen Kurs des Landes gesprochen hat sie bestimmt nicht.) Sonderlich bemüht hat man sich nicht. Das Zuckerbrot hat bisher gefehlt.
Und die Peitsche auch. Allein schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit und des Selbstanspruches wäre es wichtig gewesen, offensiver die Problematik der Menschenrechte und des Rechtsstaates anzugehen. Partnerschaft um jeden Preis soll es auch nicht sein. Weißrussland, dem man ebenfalls ein Angebot gemacht hat, als Partner Europas? Ohne das sich in dem totaliären Land etwas ändert? Nein, Danke.
Die EU muss natürlich die Vorteile sehen und hervorheben, doch als Selbstzweck mit Staaten, die so etwas wie den Rechtsstaat, siehe causa Timoschenko, eher belächeln funktioniert ebenso wenig wie paktieren. Die EU braucht endlich wieder eine klare Linie: Wirtschaftliche und politische Kooperation zum beiderseitigen Vorteil mit der Option des Beitritts, was bei der Ukraine versäumt worden ist. Im Gegenzug müssen aber die demokratischen, rechtsstaatlichen Elemente gestärkt werden.
Die möglichen zukünftigen Partner müssen wissen, was sie erwartet, in einer Union, die sich doch den Friedensnobelpreis erhalten hat und die Demokratie verehrt. Das zu kommunizieren, ist bisher nicht gelungen. Schade, doch die Ukraine und die anderen östlichen Länder wird es auch im neuen Jahr noch geben: Zeit und Möglichkeit eine neue Ostpolitik zu voranzutreiben.