27. April 2014
von Henri Koblischke
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Einer der wesentlichen Streitpunkte in der causa Mindestlohn ist die Frage, welche Auswirkungen er auf die Volkswirtschaft hat. Gerade in diesem Punkt gibt es weit auseinander liegende Meinungen. Hier werden diese gegenübergestellt.
Befürworter erhoffen sich eine erhöhte Binnennachfrage, wenn die Betroffenen mehr Geld in der Tasche haben. Die Gegner dagegen sehen durch erhöhte Löhne Arbeitsplätze gefährdet, da sich Unternehmen die Mehrkosten schlicht nicht leisten könnten.
Das sind die wichtigsten Argumente: Binnenmarktnachfrage vs. Arbeitsplatzverlust. Nachfrageorientierte gegen angebotsorientierte Wirtschaftspolitik.
Obendrein wird bezweifelt, dass der einheitliche Mindestlohn von 8,50 Euro der Produktivität entspricht. Arbeitsplätze könnten ins Ausland verlegt werden. Dagegen wird argumentiert, dass es sich hauptsächlich um ortsgebundene Tätigkeiten handelt, die nicht ins Ausland verlagert werden können. Der Friseur in München wird immer noch in München benötigt, und nicht in Tschechien.
Gerade die Arbeitgeberverbände werfen dem Staat vor, mit dem Mindestlohn die Tarifautonomie einzuschränken und die Tarifpartner zu bevormunden. Ihrer Meinung nach kennen sich diese in ihrer Branche wesentlich besser aus und kennen den passenden Lohn besser als der Staat. Sie sehen im Mindestlohn auch eine staatliche Hilfe für die Gewerkschaften, die zu schwach sind einen angemessenen Lohn auszuhandeln. Gewerkschaften und Co. wollen mit dem Mindestlohn eine Untergrenze setzen, worüber sich die Tarifautonomie weiterhin abspielen soll. Sie sehen die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer soweit geschwächt, dass der Staat ein Untergrenze garantieren muss. Durch den Mindestlohn sollen menschenwürdige Löhne garantiert werden. So soll Lohndumping durch Niedriglöhne verhindert werden.
Auch im Bezug auf das einheitliche Lohnniveau gibt es Dissens. So wird auf der einen Seite befürwortet, für die Löhne etwa in Osten und Westen 24 Jahre nach der Wiedervereinigung endlich gleiche oder ähnliche Verhältnisse zu schaffen. Auf der anderen Seite, so sehen es Kritiker, fügt das konsequente Ignorieren regionaler Disparitäten (Ost-West, Land-Stadt) der Wirtschaft Schaden zu. Das Preisniveau ist überall anders, die Produktivität nicht unbedingt. Hier wird wiederholt auf die Gefahr von Arbeitsplatzverlusten hingewiesen, genau wie Schwarzarbeit.
Kann ein Blick ins Ausland Licht ins Dunkel bringen? Auch dieser behebt die Meinungsverschiedenheiten nicht. Die unterschiedlichen Lager führen jeweils andere Länder als Musterbeispiele auf, um ihre Sicht der Dinge zu untermauern. So seien im Vereinigten Königreich oder den USA etwa keine negativen Folgen sichtbar. Andererseits wird mahnend auf die wirtschaftliche Lage in Frankreich und anderen europäischen Krisenländern hingewiesen. Auch die Reduzierung der Arbeitszeiten wird als Folge gesehen.
Die Argumentation hängt auch eng mit der jeweiligen, nicht immer objektiv-unabhängigen Sicht der Wirtschaftsinstitute zusammen. Eine gemeinsame Linie gibt es nicht oder nur unzureichend. Somit ist der Mindestlohn, auch außerhalb der Politik und Tarifparteien, in der Wirtschaftsforschung umstritten.
Aufgrund der geteilten Meinung ist es schwierig zu einem Urteil zu kommen, die wahren Auswirkungen werden erst nach der Einführung bekannt sein. Es stellen sich vielmehr andere die Fragen. Wie kann er umgangen werden? Löst er die wahren Probleme am Arbeitsmarkt? Hilft er wirklich den Geringverdienern? Sorgt er wirklich für Gerechtigkeit?