21. April 2014
von Henri Koblischke
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Themenreihe Mindestlohn: Interview kölnmetall #2

Teil zwei des Interviews.
Das erste ist hier verlinkt.

Laut Berechnung des DGB verdient man mit 8,50 € die Stunde im Vollzeitjob knapp über 1.400 Euro Brutto im Monat. Reicht das überhaupt – gerade wenn man Single ist?

In einer Stadt wie Köln ist es wahnsinnig schwer, aber dafür gibt es Wohngeld, dafür gibt es andere Leistungen.

Ich glaube viel wichtiger ist doch die Frage, zahlen wir da nicht letztlich die Zeche am falschen Ende? Altbundeskanzler Schröder und Wolfgang Clement sagen, die Milliardenbeträge wären viel sinnvoller angelegt, indem wir die Bildung stärken.

Da ist viel zu tun. Fünf bis sieben Prozent der Schülerinnen und Schüler in NRW verlassen die Schule ohne Abschluss. Da müssen wir nachjustieren. Chancengerechtigkeit ist für mich viel wichtiger. Die Chance zu studieren, wenn wir aus einer Akademikerfamilie kommen, ist vier Mal höher, als wenn sie ein Arbeiterkind sind. Das finde ich schreiend ungerecht. Den Begriff der Chancengerechtigkeit wünsche ich mir viel mehr. Gerade auch vom DGB, als der Begriff der Verteilungsgerechtigkeit; ob man sich im Zweifelsfall noch einen zweiten Kinobesuch im Monat leisten kann.

Wen sehen Sie bei der Chancengerechtigkeit in der Pflicht? Welche Verantwortung haben die Unternehmen, Chancengerechtigkeit zu fördern?

Wir haben eine sehr große Verantwortung, das Ganze machen wir allerdings, ich sage es ganz ehrlich, auch nicht aus hehren Motiven, sondern uns geht es darum, auch in einer demografisch stetig älter werdenden Gesellschaft den Fachkräftebedarf zu sichern. Dem versuchen wir ganz konkret entgegen zu wirken, indem wir mit die naturwissenschaftliche Früherziehung fördern und 25.000 Berufsfelderkundungsplätze jedes Jahr zur Verfügung stellen. Ich glaube, das zeigt, dass wir da auch mit Blick auf die jüngere Generation unserer gesellschaftspolitischen Verantwortung sehr wohl gerecht werden.

Chancengerechtigkeit, ist das gleichzusetzen mit Chancengleichheit? Kinder, haben alle die gleichen Chancen am Arbeitsmarkt?

Ich würde mir wünschen, dass es eine richtige Chancengleichheit bedeutet. Zugleich muss man der Realität ins Auge sehen. Es wäre vermessen zu sagen, dass wir schon morgen eine völlige Chancengleichheit haben. Wir müssen in die Richtung kommen, dass eine wirklich viel, viel größere Chancengleichheit da ist, als jetzt besteht.

Tut der Mindestlohn etwas für die Chancengerechtigkeit?

Er verhindert oder erschwert sie zumindest, weil viele Menschen mit gering bezahlten Tätigkeiten, die auch eine Aufstockung erforderlich machen, gar keine Treppe haben, um in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Wenn Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren oder nicht in Arbeit kommen und weiterhin Sozialleistungen empfangen müssen, nützt das niemanden.

Entspricht die berüchtigte Bezahlung der Friseure mit drei Euro noch der Würde des Menschen, wie sie im Grundgesetz steht?

Ich habe da meine Probleme, 3 Euro pro Stunde als adäquat zu empfinden, aber die freiheitliche Grundordnung heißt auch, dass die Menschen sich das selbst ausgesucht haben.

Man darf natürlich nicht vergessen, das muss auch dem Kunden vermittelt werden, indem es über höhere Preise wieder in Rechnung gestellt wird. Wenn jetzt die gleichen Menschen, die jetzt schreien „soziale Ungerechtigkeit, haltet die Diebe“, dann sagen, „Nein, wenn mein Trockenhaarschnitt mehr als 10,- € kostet, lasse ich das schwarz machen“, dann muss ich sagen, ist das verwerflich, das ist opportunistisch.

19. April 2014
von Henri Koblischke
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Themenreihe Mindestlohn: Interview kölnmetall #1

Im Folgenden stellt Philipp Rademann die Postion des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektroindustrie Köln (kurz: kölnmetall) zum Mindestlohn dar.

Wie ist Ihre Position zum Mindestlohn?

Das Grundsystem in der Bundesrepublik Deutschland ist die Tarifautonomie. Das freie Spiel der Kräfte vereinbart ein auskömmliches, faires Lohnniveau für die jeweilige Branche. Wir sehen überhaupt gar keine Veranlassung, dass der Staat die Tarifautonomie durch den Mindestlohn gefährdet.

Außerdem bringt der Mindestlohn den Menschen nicht wirklich was, denn nur 38 % des Haushaltseinkommens in den Familien, wo einer der beiden Partner noch keine 8,50 € verdient, wird durch den Geringverdiener erwirtschaftet.

Auch die hohe Zahl der Aufstocker ist falsch- Weniger als die Hälfte der Aufstocker erhält das Geld, weil das Lohnniveau so gering ist. Viele Hartz IV-Empfänger werden als Aufstocker geführt, weil sie nämlich in einem ganz geringen Umfang nur arbeiten.

Der Mindestlohn von 8,50 € gefährdet Jobs. Wie viele das sind, steht auf einem anderen Blatt, aber es gibt einfach Menschen und Tätigkeiten, die keine hohe Produktivität haben. Arbeitsplätze werden vernichtet, sie verlagern sich in die Schwarzarbeit oder es fände eine Umwandlung in Werksvertragsarbeit statt, was die Gewerkschaften ja auch nicht wollen.

Die Tarifverträge sind ja nicht vom Himmel gefallen. Es gab Ende letzten Jahres 41 Tarifverträge zwischen Arbeitgebern und DGB-Gewerkschaften, die teilweise untere Tariflöhne von weniger als 8,50 € in der Stunde vorgesehen haben. Es gibt Tarifpartner die akzeptiert haben, dass offensichtlich ein Mindestlohn von 8,50 € in ihrer Branche nicht zu erwirtschaften wäre.

Wenn es so ist, wieso wird überhaupt ein Mindestlohn eingeführt. Wieso wollen SPD, Grüne und Linke den Mindestlohn überhaupt einführen?

Ich glaube, man versprach eine starke Mobilisierung im Bundestagswahlkampf. Des Weiteren stellt er ein Eingeständnis des Scheiterns in der Tarifpolitik dar. Wenn die Gewerkschaften sagen, wir haben überhaupt gar nicht die soziale Macht um Tarifverträge abzuschließen, die das einfordern was unsere Arbeitnehmer eigentlich brauchen.

Unsere Sorge ist: einmal ein Mindestlohn eingeführt, ist es ja eine Stilvorlage bei der nächsten Bundestagswahl zu versprechen, ihn auf 8,50 €, 9,50 € oder 10 € zu erhöhen. Das hat nichts mehr mit der Produktivitätsentwicklung in der Branche zu tun, was dazu führt, dass Arbeitsplätze vernichtet werden. Damit ist den Geringqualifizierten, die den Einstieg in den Arbeitsmarkt suchen, ja gar nicht geholfen.

Was glauben Sie, leben wir in einer gerechten oder ungerechten Gesellschaft?

Ich glaube, wenn Sie ganz viele Bundesbürger fragen, dann würden die sagen, wir leben in einer ungerechten Gesellschaft, weil sich bestimmte Lohnkurven voneinander abgekoppelt haben. Das ändert aber nichts daran, dass unser deutscher Sozialstaat nach wie vor Spitzenstandards erfüllt, denken Sie gerade an die Diskussion „Rente mit 63“ oder „Mütterrente“, das alles sind zusätzliche Milliardenlasten, auf Kosten der Jungen das ist ungerecht.

Die Diskussion würde ich ganz anders ziehen. Es gibt Menschen, die weniger Einkommen im Alter haben, aber dafür haben sie die Grundsicherung, niemand steht bei uns auf der Straße, und wir haben Hartz IV, was de facto ja auch so etwas wie ein Mindestlohn ist und die Grundsicherung. Ungerecht finde ich die Verteilung zwischen den Generationen. Da würde ich manchmal wünschen, dass die jüngere Generation stärker ihre eigenen Interessen in den Vordergrund schiebt.

Soll Hartz IV die Grundsicherung sein? Hat der Staat die Aufgabe, die Grundsicherung zu übernehmen oder sind die Unternehmen in der Verantwortung?

Ich würde das gar nicht gegeneinander ausspielen. Denken Sie daran, dass viele Menschen, die die Grundsicherung beziehen, vielleicht gar keinen Job haben. Diese Menschen werden auch über den Staat abgesichert. Die Arbeitgeber zahlen ja Steuern, die letztlich auch für die Grundsicherung verwendet werden. Deswegen denke ich, werden auch die Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung in Deutschland gerecht.

Hier der zweite Teil.