17. April 2014
von Henri Koblischke
Keine Kommentare

Klarheit im Fall Schavan?

Nach nunmehr zweieinhalb Monaten haben sich die fleißigen Beamten im Auswärtigen Amt bequemt auf die Anfrage von politicsgermany bezüglich der Ernennung Annette Schavans zu antworten.

“[…] kann Ihnen bestätigen, dass vorgesehen ist, dass Frau Bundesministerin a. D. Annette Schavan Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl werden soll. […] Für die Ernennung zur Botschafterin sind ein akademischer Abschluss oder eine Promotion keine zwingende Voraussetzung. Im Vordergrund stehen die Eignung und Befähigung”

Wenn das so ist, dann sollte das Auswärtige Amt seine Website aktualisieren. Dort steht als Voraussetzung für den höheren Dienst immer noch, dass man “ein Hochschulstudium mindestens mit einem Master oder gleichwertigem Abschluss” haben muss. Dabei handelt es sich um den Stand von 2012. Vielleicht sind die Ansprüche ja mittlerweile gesunken. Die Eignung ist übrigens ebenfalls in Zweifel zu ziehen. Eine überführte Lügnerin soll dem Heiligen Vater unter die Augen treten?

Es wäre schlechter Stil nicht zu erwähnen, dass Schavan nun doch wieder Doktor ist. Allerdings nur, weil sie mal eine Universität gerettet hat. Diese revanchiert sich prompt und verleiht ihr einen Ehrendoktortitel. Dem Geist der Vorschriften scheint man im Auswärtigen Amt nicht gerecht werden zu wollen.

Annette Schavans Büro hat übrigens immer noch nicht geantwortet…

29. März 2014
von Henri Koblischke
Keine Kommentare

Themenreihe Mindestlohn: Interview Ingrid Hack #2

Teil zwei des Interviews.
Und hier der erste Teil verlinkt.

Warum soll der Mindestlohn, nicht Hartz IV die Mindestabsicherung sein? Das führt zu der Frage, wer hat denn die Aufgabe der Grundsicherung, der Staat durch Hartz IV oder die Unternehmen durch den gesetzlichen Mindestlohn?
Arbeitgeber kommen dann ins Spiel, ganz einfach gesagt, wo es um Arbeit geht. Hartz IV ist eine Leistung für Menschen, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen. Das ist der große Unterschied.
Es handelt sich um zweierlei Paar Schuh, es handelt sich aus meiner Sicht um zwei Personengruppen, die unterschiedliche Ansprüche haben durch ihren Status. Da müssen auf der einen Seite Arbeitgeber und auch Arbeitnehmer im Verbund für Gerechtigkeit sorgen in Form der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften, auf der anderen Seite dann für Menschen, die nicht in Erwerbsarbeit sind, ist das Aufgabe unseres Staates.

Ist der Mindestlohn leistungsgerecht? Warum soll  man für die gleiche Tätigkeit plötzlich mehr bekommen?
Weil die Betroffenen vorher zu wenig erhalten haben.

Wenn die Gewerkschaften es nicht schaffen, muss der Staat dann für einen angemessenen Lohn sorgen?
Verkürzt ausgedrückt: ja. Wobei es nicht um einen angemessenen Lohn geht, sondern um diese „Leitplanke“, wo die Gesellschaft sagt: „Darunter ist sittenwidrig“. Was aber natürlich nicht heißt, dass wir Sozialdemokraten die Tarifautonomie abschaffen wollen. Aber wir sehen, wenn die nicht funktioniert, aufgrund von schwacher Position oder zu wenig Verhandlungsmacht, dann ist es Aufgabe der Gesellschaft darauf zu reagieren.
Wir ziehen ja nicht durch den Mindestlohn die Tarifautonomie an uns und beenden sie damit. Das wäre völlig gegen unser Verständnis, sondern wir sagen, oberhalb dieser Grenze wollen wir, dass Tarifautonomie sich abspielt, weil ansonsten Sozialhilfe einspringen muss.

Ist Chancengerechtigkeit gleichzusetzen mit Chancengleichheit?
Wir Sozialdemokraten haben den Begriff Chancengleichheit sehr intensiv besetzt. Das war und ist ein großes Ziel für uns, Kindern und Jugendlichen Chancengleichheit zu ermöglichen. Bei CDU und die FDP schrillen bei „Gleichheit“ direkt die Alarmglocken. Das ist für sie gleichbedeutend mit „Gleichmacherei“, „Sozialismus“, „kommunistischer Katastrophe“ – überspitzt formuliert.

Chancengleichheit hat meiner Meinung nach nichts mit Gleichmacherei zu tun, sondern bekämpft, dass es bei uns, wie in kaum einem anderen Land der Welt, so von der Herkunft der Eltern abhängt, zum Beispiel welche Schulkarriere die Kinder machen können. Sind sie in einem Elternhaus geboren, wo die Eltern Akademiker sind, dann ist es für sie leichter, auch einen akademischen Abschluss zu erwerben, als wenn ihr Elternhaus keinen akademischen Abschluss besitzt.

Wo soll Chancengleichheit denn ansetzen? Wer hat die Verantwortung, gibt es unternehmerische Verantwortung?
Es ist nicht der Hauptjob der Unternehmen, aber sie haben natürlich einen hohen Anteil daran, wenn ich den Übergang zwischen Schule und Beruf betrachte. Die Unternehmen beklagen an vielen Stellen den Fachkräftemangel, stellen aber immer noch zum Beispiel zu wenig Jugendliche mit Migrationshintergrund ein. Die Wirtschaft möchte gerne Fachkräfte haben, dann hat sie aber die Verantwortung dafür zu sorgen, dass Menschen auch ausgebildet werden. Wenn es daran krankt, dass nur bestimmte Jugendliche erfolgreich sein können, hat die Wirtschaft auch die Aufgabe, daran mitzuwirken, dass dieses System Chancengleichheit bieten kann.

Unternehmen profitieren auch davon, dass der Staat ein funktionierendes Gemeinwesen finanziert, zum Beispiel mit Schulen, Infrastruktur, Justiz, Sicherheit. Ein Unternehmen hat die Möglichkeit, zu investieren und in sicherem Umfeld Geld zu verdienen und ordentlich ausgebildete Leute zu beschäftigen. In dem Segment der jeweiligen Unternehmen sind diese verantwortlich auch etwas für das Gemeinwesen zu tun, von dem sie profitieren.