3. März 2014
von Henri Koblischke
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Bankenunion? Nein danke!

Ende Dezember wurde beschlossen, die Schuldenunion, pardon, Bankenunion einzuführen. Ein großer Fehler…
Was ist die Bankenunion überhaupt? Hier nochmal zum nachlesen

Dabei gab und gibt es viele warnende Stimmen, aber natürlich setzt sich die geballte Ignoranz der EU-Staats- und Regierungschefs gegen das fundierte Urteil von Experten durch; wie so oft in der europäischen Geschichte. Man erinnere sich an die drollige Idee, den Euro ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik und politische Union einzuführen, oder an den Geistesblitz, ein gewisses Griechenland in die Eurozone zu holen.

Aber nun mal weg von populistischer Argumentation. Bei der Bankenunion beobachten wir das Phänomen des europäischen Kompromisses. Den Linken geht sie nicht weit, nicht europäisch und solidarisch genug. Die Rechten dagegen schreien auf. Die Schuldenunion kommt! Wir Deutschen werden unser Geld verlieren! Einigkeit besteht nur darin, dass die Bankenunion so nicht sinnvoll, tragbar, wie auch immer man es ausdrücken will, ist. Dabei ist die überparteiliche Einigkeit die pure Wahrheit.
Jeder politische Flügel hat an der Bankenunion rumgebastelt und sie verwässert. Rausgekommen ist ein Quark, der niemanden etwas nützt.

Betrachten wir doch die Bankenaufsicht. Die EZB ist von einer insolventen Bank unmittelbar betroffen. Wenn schon kleinste Gerüchte ganze Aktien- und Währungskurse einbrechen lassen, so braucht es nicht viel Fantasie, um sich auszumalen was passiert, wenn die Deutsche Bank oder ein vergleichbares Kreditinstitut Konkurs geht. Die EZB hat ein großes Interesse daran, dass die Banken reibungslos arbeiten. Ein Schelm, wer denkt, da könnte mit Niedrigzinsen geholfen werden. Doch nicht bei der höchst transparenten EZB! Eine europäische Aufsicht ist ja durchaus begrüßenswert, aber jede andere Institution ist besser als die EZB.
Was qualifiziert die EZB überhaupt so dermaßen? Es gibt schon die Europäische Bankenaufsicht (EBA). Diese hätte doch mit ähnlich guten Fachkenntnissen und mit viel weniger öffentlicher Kritik die Bankenaufsicht übernehmen können. Wieso ist sie dann bei der EZB gelandet? Der einzig logische Grund: Die EZB kann in einem überwachen und heimlich helfen.

Von ähnlichem Kaliber ist die Einlagensicherung.
Die Mitgliedsstaaten sollen das Geld garantieren. Kein Land, sei es Griechenland oder Deutschland, kann die Einlagen garantieren. Dafür sind die Summen viel zu groß. In Wahrheit sehen wir ziemlich alt aus, wenn die Deutsche Bank insolvent und infolgedessen auch noch die Hälfte der restlichen Banken. Da müsste sich der Bund über ein halbes hundert Ohren verschulden, um die Summe gestämmt zu kriegen. Das führt keineswegs zu einem Vertrauensverlsut in die wirtschaftliche Stabilität. Die Einlagen sind gerettet, eingetauscht gegen eine Staatsschuldenkrise. Nachhaltiges Denken ist keine europäische Stärke.
Investoren lassen sich nicht durch Hoffnungen und Versprechungen blenden. Nicht langfristig.

Sind die ersten Punkte beim besten Willen mangelhaft, so ist die Bankenabwicklung zum vollkommenen Desaster geraten.
Gesetztes Ziel war es, eine Bankenrettung wenn nötig, über ein Wochenende zu bewerkstelligen. Rausgekommen ist ein wahrer Dschungel an Kompetenzen, Einspruchsrechten und Vermittlungskommissionen. So ein kompliziertes Organigramm hat die Welt noch nicht gesehen. Das dauert länger als zwei Tage. Doch die Märkte warten nicht gerne, auch wenn es uns nicht gefällt.
Aber gehen wir einfach mal von der unmöglichen Möglichkeit aus, dass über ein Wochenende entschieden wurde, die Bank X zu retten. Dann werden die zuständigen Beamten in ihre Kassen blicken und verzweifeln. Mit winzigen 55 Milliarden Euro soll eine systemrelevante Bank gerettet werden. Damit das möglich wird, muss die EU die Summe noch mehrmals vervielfachen, zumal ja mehrere Banken in einer kurzen Periode gerettet werden müssten. Siehe Finanzkrise.
Doch noch ein Stein versperrt den Weg zu einer funktionierenden Bankenunion. Im Aufsichtsgremium haben die Nationalstaaten eine satte Mehrheit. Die werden sie natürlich dazu nutzen, um sich gegenseitig die Banken stabil zu halten. Niemand will eine Pleitebank im eigenen Land und die anderen Länder machen mit, denn in Zukunft haben sie einen Gefallen gut – für ihre Banken. Und im Zweifelsfall entscheiden die EU-Finanzminister. Im Hort nationaler Interessen geht der Blick auf das Wohl des gemeinsamen Wirtschaftsraumes verloren.

Halten wir fest: Die Bankenaufsicht ist zum Gehilfen der Banken geworden, die Einlagensicherung ist utopisch, die Bankenabwicklung zu träge und mit zu vielen nationalen Interessen. Beste Voraussetzungen, um ein neues Kapitel europäischen Versagens zu beginnen. Der Euro hat zehn Jahre ohne Krise geschafft, wie lange wird die Bankenunion wohl durchhalten?

Hier der Pro-Artikel

20. Februar 2014
von Henri Koblischke
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Bankenunion? Auf jeden Fall!

Die Bankenunion kommt – und das ist auch gut so. Die Kritik dagegen begleitet sie unentwegt.
Was die Bankenunion ist und wie sie aufgebaut ist, lesen sie hier: http://www.politicsgermany.com/2014/02/bankenunion/

1. Bankenaufsicht
Skandal! Skandal! Das rufen viele – besonders Konservative. Die EZB verliere durch die Rolle als Bankenaufseher ihre Unabhängigkeit! Die EZB könne Banken durch niedrige Zinsen stützen. Lächerlich, denn weiterhin ist die oberste Maxime der EZB die Geldwertstabilität, nicht die Bankenstabilität.

Zudem hat die EZB gar kein Interesse daran, Banken zu stützen, schließlich muss sie bei einer Pleite nicht einspringen, ist nicht unmittelbar betroffen. Ergo wird im Zweifelsfall die Geldpolitik eben nicht zweckentfremdet, wird nicht zum Knecht der Banken.
Für die Mitgliedsstaaten ist es wesentlich billiger, sie abzuwickeln, als sie zu retten. Denn marode Banken gleichen einem schwarzen Loch. Sie schlucken alles Geld, was sie kriegen können. Da die EZB hier nüchtern unabhängig urteilen kann, wird sie zum Wohle der Mitglieder und Europas handeln, nicht zum Wohle der Banken. Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Dinge.

Außerdem ist die EZB als “Big Brother” für die Banken geeigneter als viele Kritiker denken. Die Distanz zwischen Frankfurter Bankenaufsicht und griechischer Bank könnte kaum größer sein – nicht nur geographisch. Als europäische Institution hat sie das große Ganze im Blick, nämlich den Wirtschaftsraum Europa, nicht nur das entsprechende Mitlgliedsland.

2. Einlagensicherung
Können die Mitgliedsstaaten die Spareinlagen wirklich garantieren? Nein, aber darum geht es auch gar nicht. Blicken wir zurück ins Jahr 2012. Mitten in der Eurokrise kündigt EZB-Chef Mario Draghi an, wenn nötig unbegrenzt Anleihen zu kaufen. Daraufhin hat sich die Lage sichtlich stablisiert. Allein die Ankündigung reichte. Was zählt, ist der psychologische Effekt. Denn Wirtschaft besteht bekanntlich zu einem Großteil aus Psychologie.

3. Bankenabwicklung
Heftig umstritten ist die Bankenabwicklung. Dabei erfüllt sie das, was wir alle wollen. Nie mehr bei Nacht und Nebel Banken retten müssen. Nie mehr “Too-Big-To-Fail”. Auch der Steuerzahler wird entlastet, denn erst müssen die Beteiligten selber haften. Zugegeben, der Rettungstopf von 55 Milliarden Euro könnte größer sein, aber das ist auch den nationalen Regierungen bewusst. Sie haben kein Interesse später noch nachzuzahlen; daher ist es gut möglich, dass noch kräftig aufgestockt wird. Etwa durch zusätzliche Bankenabgaben.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Majorität der Mitgliedsstaaten im Aufsichtsgremium, das entscheidet, welche Bank gerettet oder abgewickelt wird. Auch hier wird wieder einmal zu kurz gedacht. Hat ein Land Interesse daran, erneut Unsummen öffentlichen Geldes in marode Banken zu stecken? Natürlich nicht. Auch werden die anderen Staaten sehr gut aufpassen, ob sie die entsprechende Bank retten wollen; verstärkt wird diese Skepsis dadurch, dass es sich quasi in allen Fällen um eine ausländische Bank handelt. Soll in Italien eine Bank gerettet werden, ist diese für den Großteil der Aufseher eine ausländische Bank. Distanz ist zur Genüge vorhanden.

Was die Bankenunion nicht erreichen kann, jedoch Voraussetzung für ihre Arbeit ist, ist ein funktionierendes Bankensystem. Mehr Eigenkapital, weniger Risiken. Mehr Kunden, weniger Spekulation. Die Bankenregulierung ist ebenfalls eine europäische Aufgabe, jedenfalls sollte man sie so verstehen. Ein regulierteres, sichereres Bankensystem beugt den Krisen vor und macht den Einsatz der Bankenunion gar nicht erst nötig. Ein guter Brandschutz muss vor der Feuerwehr kommen, kann sie jedoch nicht ersetzen. Bankenunion und Bankenregulierung sind siamesische Zwillinge. Ersterer wurde geboren, der Zweite steckt noch im Geburtskanal.

Hier der Contra-Artikel: http://www.politicsgermany.com/2014/03/bankenunion-nein-danke/